Zum Erwachsenwerden gehören auch das eigenständige Wohnen und die Ablösung von zu Hause. Diese Selbstverständlichkeit gilt nicht für junge Menschen mit Behinderungen. Insbesondere bei Menschen mit Behinderungen, die durch eine integrative Schulzeit in ersten Ansätzen aussondernde und behindernde Strukturen aufgebrochen haben, stellt sich umso dringender die Frage, wie sie nach der Schulzeit weiter ein Leben mitten in der Gesellschaft gestalten können. Eine ausgesonderte Sackgasse nach der Schule ist für viele undenkbar.
Als Vertragsstaat der UN-Behindertenrechtskonvention anerkennt Deutschland in Artikel 19 das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben. Menschen mit Behinderungen sollen gleichberechtigt mit anderen die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben. Sie sind nicht verpflichtet, in besonderen Wohnformen zu leben. Die UN-Konvention zieht in diesem Artikel darauf ab, dass ein inklusives und befähigendes Wohnumfeld für Menschen mit Behinderungen geschaffen wird.
Die aktuelle Situation ergibt ein anderes Bild. Mangels Alternativen zu stationären Wohnformen und aufgrund vielfältiger Hindernisse in Bezug auf die Infrastruktur (barrierefreie Wohnungen, Mobilität etc.) haben Menschen mit Behinderungen nur eingeschränkte Möglichkeiten, sich für ein Leben in der Gemeinschaft zu entscheiden und die volle Einbeziehung und Teilhabe an der Gemeinschaft zu suchen, stellt die Monitoring-Stelle in ihrem Parallelbericht an den UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen im März 2015 fest. Der UN-Fachausschuss selbst ist in seinen abschließenden Bemerkungen über den ersten Staatenbericht Deutschlands besorgt über den hohen Grad der Institutionalisierung und den Mangel an alternativen Wohnformen beziehungsweise einer geeigneten Infrastruktur.
Das ist auch die Situation in Rheinland-Pfalz, wo aktuell lediglich rund 5 Prozent des vorhandenen Wohnangebots barrierefrei ist. Der 2015 fortgeschriebenen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention sieht Ziele und Maßnahmen vor, die perspektivisch den Ausbau eines barrierefreien Wohnraumangebots vorsieht, das die unterschiedlichen Wohn- und Betreuungsformen einschließt. Allerdings schafft Barrierefreiheit, Dezentralisierung und ambulante Versorgung allein noch keine Wohnenformen, wo Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort selbst zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben.
Eine wirklich alternative Wohnform im Vergleich zu den bestehenden Wohn-und Betreuungsformen für Menschen mit Behinderungen ist die Inklusive WohnGemeinschaft LUdwigshafen (IGLU), in der Menschen mit und ohne Behinderungen zusammen wohnen. Träger des Wohnprojektes ist unser Mitgliedsverein Integration statt Aussonderung. Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen in Ludwigshafen.
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10 jähriges Jubiläum von IGLU!
Die Inklusive WohnGemeinschaft LUdwigshafen (IGLU) besteht 2022 seit zehn Jahren, präziser gesagt, ab 01. November 2012 fand der Einzug statt. Die Gründung ist eine experimentelle Alternative zu den noch immer fest etablierten aus-sondernden Strukturen, die für Menschen mit Behinderungen vorgesehen sind.
Deshalb haben für das 10-jährige Bestehen von IGLU einen Bericht verfasst, in dem wir versuchen, die über die Jahre vorliegenden Erfahrungen und Erkenntnisse darzulegen.
Der Bericht kann hier gelesen werden!